1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
143. Die Völkerschlacht bei Leipzig.
309
eine lebensvolle Zukunft habe. Die Poesie
erhob sich wie die Wissenschaft, um
dem heiligen Kriege seine Waffen zu
schmieden.
So entstand ein Heer, wie es kein
zweites in der Geschichte gibt. Ein Verein
grauer Veteranen und unbärtiger Jüng-
linge mit der besten Manneskraft der
Nation, soldatischer Ungezwungenheit
und Derbheit mit religiösem Schwünge
und gewissenhafter Sitte, brausender
Freiheitsliebe mit strengem Pflichtgefühl
und treuem Unterthanensinn. Es ent-
hielt die Keime zu allen echten Fort-
schritten und zu einer ausharrenden
Angriffskraft, die trotz aller Hindernisse
Europa zur vollständigen Erreichung
des großen Zieles Hindurchriß.
143. Die Völkerschlacht bei Leipzig.
Es war in den ersten Oktobertagen
des Jahres 1813. Kaiser Napoleon
hatte sein Hauptquartier Dresden ver-
lassen und sich mit seinen Truppen in
die große Ebene von Leipzig gezogen.
Hier war es, wo vom 16. bis 19. Ok-
tober Männer vom Tajo und Ebro,
vom Po und der Tiber, von der Seine
und dem Rheine, in blutigem Kampfe
gegenüberstanden den Söhnen der Do-
nau, der Elbe, der Oder, des Don,
der Wolga, des weißen und des
schwarzen Meeres! Hier wütheten 2000
Feuerschlünde drei Tage lang unter
400,000 Soldaten, von denen die einen
voll hoher Begeisterung und voll Muth
für die heilige Sache des Vaterlandes,
die anderen für Ehre und vieljährigen
Waffenruhm stritten.
Im Süden Leipzigs, bei Connewitz
und Liebertwolkwitz, beginnt der Kampf;
Oesterreicher und Russen unter Fürst
Schwarzenbergs Oberbefehle eröffnen ihn.
Bald hört man nicht mehr die einzelnen
Schüsse, ein unaufhörliches Rollen er-
schüttert die Luft und macht die Feste
der mit Rauchwolken bedeckten Erde er-
beben; im weiten Umkreise klirren die
Fenster und die ältesten Soldaten erin-
nern sich solchen furchtbaren Geschütz-
donners nicht. Die Hurrahs der An-
greifenden erschallen in die Schmerzens-
rufe der Verwundeten und Sterbenden,
das Rasseln der Kanonen und Geschütz-
wagen in den Marsch der Vordringen-
den, die Trommelwirbel, die Horn- und
Trompetensignale der Streiter zu Fuß
und Roß in das unaufhörliche Knattern
der Gewehre. Adjutanten fliegen hin
und her! Verwundete kommen blutend
oder werden von Anderen hinter die
Angriffslinien gebracht! Tod und Schre-
cken, Angst, Freude, Muth und Ver-
wirrung auf allen Seiten in allen pul-
vergeschwärzten Gesichtern der Streiter!
Gewaltige Heeresmassen im An- und
Abzüge, furchtbare Artillerie mit ihren
zahllosen Feuerschlünden, Kugel- und
Kartätschenladungen nach allen Seiten
sendend. Da gibt's Blut! Schon wer-
den die Franzosen zurückgedrängt, aber
ungeheure Heeresmassen eilen im Sturm-
schritte den bedrängten Punkten zu, und
die französische Reiterei, von Wachau
hervorstürzend, wirft endlich Alles vor
sich nieder. Es ist Nachmittags 3 Uhr.
Siegesboten, von Napoleon gesendet,
fliegen nach Leipzig, zu künden den Sieg,
und in den Donner der Geschütze tönt
das Siegesläuten der Glocken von Leipzig.
Doch im Buche des Schicksals stand eine
andere Losung! Den kühnen Streitern
fehlte der Nachdruck, und Kosaken ent-
rissen ihnen die mit unglaublicher Kühn-
heit gewonnene Beute an Geschütz! Ver-
geblich waren alle wiederholten An-
strengungen der Franzosen, die Schlacht
war zum Stehen gekommen.
Unterdessen hatte der Kampf auch
auf der West- und Nordseite von Leipzig
bei Lindenau und Möckern getobt. Mehr
als 50 Feuerschlünde sind bei dem letz-
tem Dorfe ausgepflanzt und senden un-
aufhörlich Tod und Verderben in die
Reihen der Preußen.. Wiederholt wird
das lange Dorf vergeblich erstürmt.
Endlich wirft sich die preußische Reiterei
auf die französischen Vierecke und sprengt
sie, alle Bataillone rücken ohne Befehl
vor, französische Pulverwagen fliegen in
die Luft und bringen Verwirrung in
die Reihen, die von der andern Seite
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- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
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132. Der Ausbruch des dreißigjährigen Krieges.
283
zu Klostergrab und Braunau. Der Erz-
bischof von Prag, dem das Städtchen
Klostergrab zugehörte, und der Abt von
Braunau erhoben Einsprache gegen die
Errichtung dieser Kirchen. Die Sache
kam vor den Kaiser Mathias, und dieser
entschied, daß der Bau zu unterbleiben
habe. Da sich aber die Protestanten
daran nicht kehrten, so ließ der Prager
Erzbischof die Kirche zu Klostergrab
schließen und später niederreißen; der
Abt von Braunau ließ die neuerbaute
Kirche in seiner Stadt ebenfalls schließen.
Die protestantischen Stände erblickten
hierin eine Verletzung des sogenannten
Majestätsbriefes Rudolfs Ii., erhielten
aber wegen dieses Beschlusses einen kai-
serlichen Verweis und wurden mit stren-
ger Untersuchung und Strafe bedroht.
Noch wirkten einige Umstände mit, die
Erbitterung der Protestanten auf's höchste
zu steigern. Im Jahre 1617 war das
Reformationsjubiläum in Böhmen fest-
lich begangen worden, und es hatte durch
diese Feier der konfessionelle Zwiespalt
neue Nahrung erhalten. In demselben
Jahre hatte der Kaiser Mathias die
Verwaltung von Böhmen zehn Statt-
haltern übertragen, von denen sieben
katholisch waren. Unter den letzteren
befanden sich zudem zwei bei den Pro-
testanten besonders verhaßte Männer,
die Grafen Martinitz und Slawata. Es
verbreitete sich nun das Gerücht, der
kaiserliche Befehl sei von den Statt-
haltern gefälscht worden. Am 23. Mai
1618 drang eine Deputation der pro-
testantischen Stände in die Kanzlei des
kaiserlichen Schlosses zu Prag, dessen
Zugänge von bewaffneten Haufen be-
setzt wurden. An der Spitze dieser De-
putation stand der Graf Matthias von
Thurn, der, obwohl ein Deutscher, seit
seiner Entsetzung von dem einflußreichen
Burggrafenamte sich enge an die czechische
Parthei angeschlossen hatte und eines
ihrer thätigsten Häupter war. Dieser
sprach zu den Seinen, nie sei Hoffnung,
die Religionsfreiheit dauernd zu begrün-
den, so lange Martinitz und Slawata
lebten; man müsse sie also tödten, jetzt,
auf der Stelle. Diese Aufforderung
verfehlte ihre Wirkung nicht. Wenzel
von Rampora rief: „Werft sie nach alt- !
böhmischen Gebrauche zum Fenster hin-
aus!" worauf Wilhelm von Lobkowitz
den Martinitz umfaßte, zum Fenster
drängte, und von einigen anderen unter-
stützt, ihn ungeachtet seines Flehens
hinunter stürzte. Darauf folgte plötz-
liche Stille, da selbst die Thäter über
ihre That erschraken. Thurn rief, auf
Slawata deutend: „Edle Herren, hier
habt ihr den anderen!" Darauf mußte
auch Slawata den unfreiwilligen Sprung
aus dem Fenster machen, und ihm wurde
noch der Geheimschreiber, Philipp Fabri-
cius Platter, nachgesandt. Die Höhe
bis zum trockenen Schloßgraben maß
an 50 Fuß. Doch kamen alle drei mit
dem Leben davon; nur Slawata erhielt
eine Verletzung am Kopfe. Nach dieser
Gewaltthat mußten die protestantischen
Stände weiter gehen, wenn sie nicht
strenge Strafe auf ihre Häupter laden
wollten. Sie rissen die Regierung an
sich und einigten sich in der Wahl von
30 Direktoren, zugleich warben sie ein
Heer und stellten an dessen Spitze den
Grafen von Thurn.
Als im folgenden Jahre Kaiser
Matthias starb, kündigten die Böhmen
dem Hause Habsburg gänzlich den Ge-
horsam auf und wählten den jungen
Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz,
das Haupt der protestantischen Union,
zu ihrem Könige, in der Hoffnung, durch
die Unterstützung der Union sich gegen
die Macht Habsburgs halten zu können.
Kurfürst Friedrich schwankte, ob er die
Wahl annehmen solle oder nicht. In
seinem geheimen Rathe wurden mehr
Gründe gegen, als für die Annahme
vorgebracht. Seine Mutter, Wilhelms
von Oranien Tochter, bat ihn thränen-
den Auges, die Krone zurück zu weisen.
Für die Annahme suchten ihn zu be-
wegen Christian von Anhalt und seine
stolze Gemahlin Elisabeth, Tochter des
Königs Jakob I. von England. Sie
soll zu ihm gesagt haben, warum er
nicht den Muth habe, nach einer Königs-
krone zu greifen, nachdem er eine Kö-
nigstochter gefreit! Friedrich entschied sich
für Annahme; seine Mutter aber sagte
ihm, als er Heidelberg verließ, prophe-
tischen Blickes: „Sohn, du trägst die
Pfalz nach Böhmen!" —
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346
Iv. Natnrbilder.
umher, wirft sie weg, schlägt dann und
wann einen linkischen Purzelbaum. Der
Alte aber sieht auf die zwei anderen
hoffnungsvollen Jungen, in denen das
väterliche Talent schon mehr sich offen-
bart. Sie haben das leise horchende
Mäuschen erspäht und das flüchtende
im Wettsprunge gefangen. Mit muth-
williger Lust werfen sie es, einer dem
andern zu, bis sie, des Spieles satt, es
dem jüngsten überlassen. Nun gilts,
ein Nest zu spüren, eine Grasmücke zu
beschleichen, den schlüpfrigen Frosch zu
packen, es wird wohl auch der Palast
eines Erdwespenstammes durchstöbert,
denn die Zunge der leckern Bürschchen
will eben Alles erproben.
Endlich tritt auch die Mutter aus
dem Erdgeschoß und der alte Fuchs
erinnert sich, daß es Zeit sei, seinen
Pflichten als Ernährer der Familie
nachzugehen. Er macht sich auf; aber
er eilt mit Weile. Gelassen schlendert
er, den Schweif schleppend, durch Busch
und Kraut, immer querfeldein. Bald
ist er mitten im Waldbann. Er schleicht
langsamer, leiser, vorsichtiger. Der Abend
haucht kühl aus Halm und Blatt; die
Bäume heben ihre Wipfel regungslos
in die Stille; nur die Vogelkehlen sind
noch laut. Die Drossel lockt mit hellem
Ton, die Meise schlüpft von Busch zu
Busch, der Waldzimmermann Specht
hackt und hämmert am Eichenstumpf,
dazwischen kreischt der Häher und dann
ist auf einmal Alles still und nur der
melancholische Ruf des Wiedehopfs stöhnt
aus dem Schooß der grünen Einsamkeit.
Reinecke ist am Rande der grünen
Waldwiese angekommen. Er lauscht vor-
sichtig. Jetzt knackt es in den Zweigen.
Der Fuchs spitzt das Ohr. Ein Pfeifen
läßt sich hören: da tritt das Reh heraus,
das Haupt spähend emporgerichtet, die
Augen nach allen Seiten rollend. Wie- I
der pfeift es, und in munterem Sprunge
ist das Kitzchen der Mutter zur Seite.
In den drolligsten Sätzen tändelt es
um dieselbe, ein Kraut, ein Blatt im
Fluge abstreifend und dann sich nieder-
werfend, um zu saugen. Die Rieke
leckt ihm kosend den Nacken. Plötzlich
hebt sie ihren Kopf. Ihre Lichter fun-
keln, ein Zittern fliegt über die Flan-
ken, sie macht ein paar Sprünge und
stampft zornig mit den Läufen. Es ist
klar, sie hat den Räuber gewittert. Der
hat sich leisen Schrittes herangestohlen,
sacht, sacht, das Kitzlein unverrückt im
Auge. Es gilt einen kühnen Griff.
Wenn ihm nur nicht die Alte soeben
den Weg verrannt hätte! Aber Reinecke
läßt sich nicht irren; er thut, als sei
er in liefen Gedanken. Keine Miene
verräth, daß er der Beute ansichtig
geworden; wie träumerisch starrt er in's
Blaue. Er verschwindet, um in weitem
Bogen den Angriff von der andern
Seite zu versuchen. Allein die wach-
same Alte drängt sich dicht an das
Junge, denn sie kennt des Rothen Arg-
list. Endlich ist er doch dem Ziele
seiner Wünsche näher gekommen. Er
duckt sich nieder, wie eine Katze schmiegt
er sich an den Boden, die Lunte zuckt,
die Augen starren wildgierig auf das
sorglose Kitzlein; er weißt die mörderi-
schen Reißer, hebt leise Fuß und Kopf
zu Sprung und Biß, — ein Moment
noch — ein Satz — da stürzt sich die
Mutter schnaubend auf den Räuber, mit
den Füßen ihn zerstampfend. Das Kälb-
chen ist gerettet. Reinecke kehrt hinkend
und zorngrimmig heim. Rache schwört
er dem Flüchtling, und wehe diesem,
wenn der Fuchs Gelegenheit findet, den
Schwur zu lösen!
3. Tritt die Sonne in das Zeichen des
Löwen, dann blüht dem Fuchs die gol-
dene Zeit. Auf den Feldern hangen die
Aehren schwer und gelb, ein unabsehlicher
Fruchtwald. Dahin zieht's den Fuchs.
Dort lagern Hase und Kaninchen, Reb-
huhn, Wachtel und Lerche, kleine Leut-
chen ohne Wehr und Waffen, die ein
behagliches Leben führen. Ach es wird
ihnen übel gehen! Der Verschlagene weiß
zu passen und zu fassen, zu kirren und
zu irren mit Strichen und Schlichen,
mit Blicken und Tücken. Er mordet bei
Tag und Nacht und seine Brut wird
feist und dreist. Zu seinem Nachtische
wünscht er Confect. Auch das findet
sich. Auf sonniger Heide winkt ihm das
Bienenhaus. Er erbricht es, schleckt die
würzigen Tropfen, und mag ihn das
ganze Jmmenheer zürnend umschwärmen,
er lacht ihres Stachels, lädt sie sich auf
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352
Iv. Naturbilder.
jungen Bäume zur Seite; dennoch ver-
mag er die Wälder nicht zu verwüsten
und zu lichten. Die Heerde ist nicht
gefürchtet, friedlich bleibt sie in ihrem
Waldbezirk; nur einzelne, ausgestoßen
aus der Gesellschaft, stürzen wüthend
hervor in die Gärten, zerstampften Reis-
felder und Zuckerrohr, reißen die Palmen
aus dem Boden und zertreten die nie-
deren Hütten der Malapen. Aber dieser
grinimige Feind fängt sich in Schlingen;
er fällt in Gruben, welche der Mensch
ihm gräbt. Dieser dringt in die Wälder
und sucht in ihrer Heimat die Heerde
auf. Sie wird umgangen, mit einem
Kranze heller Flammen umstellt. Fackeln
werden ihr von allen Seiten her ent-
gegengetragen; tausend fremde Stimmen
ängstigen sie, schweben wie Gespenster
über ihr und um sie her, wohin sie sich
auch wenden mag. Da zieht sich immer
enger der Zauberkreis unter Jauchzen und
Trompetenschmettern: feurige Schlangen
fahren ihr aus der Mündung des Ge-
schützes brüllend entgegen. Raketen stei-
gen zu den schwarzen Gewölben der
Bäume empor, schütteln den feurigen
Regen donnernd über die Aeste nieder,
Blätter glänzen, Blumen erbleichen. Da
fliehen die Elephanten dicht gedrängt, die
Rüssel in die Höhe gehoben, die großen
Ohren ausgestreckt, wo der Weg ihnen
offen gelassen. Ihre Augen glühen; mit
den Füßen stampfen sie den Boden. Aeste
krachen, Bäume stürzen, die Erde erzittert.
Und wie vom Sturm gepeischt, wälzt
sich in dunkeln, tosenden Wogen die
Heerde und stürzt in die Umzäunung.
Da bricht der Morgen an, die Kolosse,
eingeschlossen, treffen in ohnmächtiger
Wuth gegen die Stämme, die ihnen den
Weg versperren. Von hohen und sicheren
Gerüsten schaut man auf sie hinab. Da
wird das Thor geöffnet, ein Elephant
drängt sich hindurch; aber hinter ihm
schieben sich die Balken vor. Er ist im
engen Raume gefangen. Der Schall der
Trompete schmettert in sein Ohr. Die
Jäger nahen, wie er auch toben mag, sie
fesseln seine stämmigen Glieder und wer-
fen ihm die Schlinge um den Hals. Run
treten die Seelenverkäufer, seine Brüder,
ihm zur Seite, sie halten ihm den Rüssel,
der wird an seine eigenen Zähne festge-
bunden; sie bändigen, sie züchtigen ihn,
bis er gedemüthigt ihnen folgt.
Der mächtige Riese steht, ein leben-
diger Felsblock aus der Urwelt, da.
Er hält das große Haupt gesenkt, als
sei der Jubel seiner Ueberwinder ihm
Hohn und als schäme er sich; denn er
ist eine Mißgestalt, mit seinem Leib auf
Säulenfüßen, wie auf Stämmen mit
borkiger Rinde; in dem dicken, runzligen
Fell mit einzelnen Haaren besetzt; mit
seinem kleinen borstigen Schwanz. Sein
Haupt, wenig beweglich, zeigt die hohe
Stirn, das kleine Auge und voll Runzeln
die bewimperten Lider. Eine Mißgestalt
ist er mit den breiten, hängenden Ohren,
die spitze Unterlippe, die gekrümmten
Vorderzähne, Sparren gleich hervor-
stehend, und mit dem Rüssel, der zwi-
schen ihnen niederhängt; dieser ist einer
Schlange gleich, mit zwei Röhren, an
deren Oeffnung ein Finger. Und den-
noch ist der Elephant ein edles Wesen
und wie durch Zauber verwandelt; mensch-
licher Verstand wohnt in ihm, und sein
Auge zeigt den klaren, klugen Blick. Und
der Rüssel ist sein Arm, er kann ihn
strecken und einziehen und überall hin-
wenden und biegen. Er ist ihm eine
Hand, womit er tastet, womit er die
Knoten löst, Blumen pflückt, Aeste bricht
und Bäume ausreißt. Er zieht den
Pfropf aus der Flasche, gießt den Wein
in seinen Rüssel; der ist sein Trinkhorn,
das leert er in den Mund. Durch den
Rüssel athmet er, läßt seine Stimme
wie eine Trompete ertönen und fordert
sich selber zum Kampfe auf. Aber auch
Streitkolbe und Waffe ist er ihm, wo-
mit er den Tiger packt, ihn schüttelt,
ihn zerschmettert und unter die Füße
wirft. So schwer der Elephant auch
ist, dennoch bewegt er sich stets und
leicht, ist immer wachsam, achtet auf
jedes Geräusch, hat den Blick auf weite
Ferne hin und schläft wenige Stunden.
Langsam wächst er und zählt Jahr-
hunderte. Aus seinen Wäldern ent-
führt, unterwirft er sich dem Menschen.
Ein halbes Jahr vergeht, und er ist
gehorsam dem Winke seines Herrn ge-
worden und hält das Auge auf ihn ge-
richtet. Er streckt seinem Führer den
Rüssel dar und hebt ihn damit auf den
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31. Gebet während der Schlacht.
399
Was fielst du Schütze^ „Tod dem Hirsch, dem fetten."
Gleich Hirsch und Reh wird man euch selber jagen.
Was strickst du Fischer? „Netz dem Fisch, dem zagen."
Aus eurem Todesnetz wer kann euch retten?
Was wiegest du schlaflose Mutter? „Knaben."
Ja, daß sie wachsen und dem Vaterlande
Im Dienst des Feindes Wunden schlagen sollen.
Was schreibest Dichter du? „In Gluthbuchstaben
Einschreib' ich mein' und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen."
3. Bei Gott! Kein Nichts ist's, deß ihr euch verwegnet!
Ein Etwas ist's, wofür den Arm ihr höbet,
Ein Etwas, das die Welt und Nachwelt lobet,
Ein Etwas, dem der Himmel Gnade regnet!
Drum, eh' ihr auszieht und dem Feind begegnet,
Steht erst vor dem, deß Aug' die Herzen probet:
Nicht eh'r zieht, als dem Höchsten anverlobet,
Nicht eh'r zieht, als vom Priester eingesegnet.
Der Feinde Lanzen müssen vor euch splittern,
Und seine Donner müssen ihm versagen,
Wenn für euch selbst spricht Gott aus den Gewittern.
Ja, Gottes Flügel, um euch hergeschlagen.
Muß, ob ihr fallet, selbst den Tod entbittern.
Daß ihr sein Antlitz seh'n könnt ohne Zagen.
4. Wir schlingen unsre Hand' in einen Knoten,
Zum Himmel heben wir den Blick und schwören!
Ihr Alle, die ihr lebet, sollt es hören,
Und wenn ihr wollt, so hört auch ihr's, ihr Todten.
Wir schwören: Steh'n zu wollen den Geboten
Des Lands, deß Mark wir tragen in den Röhren,
Und diese Schwerter, die wir hier empören,
Nicht eh'r zu senken, als vom Feind zerschroten.
Wir schwören: daß kein Vater nach dem Sohne
Soll fragen, und nach seinem Weib kein Gatte,
Kein Krieger fragen soll nach seinem Lohne,
Noch heimgeh'n. eh' der Krieg, der Nimmersatte,
Ihn selbst entläßt, mit einer blut'gen Krone,
Daß man ihn heile, oder ihn bestatte.
31. Gebet während der Schlacht.
Von Theodor Körner.
Vater, ich rufe dich!
Brüllend umwölkt mich der Dampf der
Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe dich!
Vater du, führe mich!
Vater du, führe mich!
Führ' mich zum Siege, führ' mich zum Tode!
Herr, ich erkenne deine Gebote!
Herr, wie du willst, so führe mich.
Gott, ich erkenne dich!
Gott, ich erkenne dich!
So im herbstlichen Rauschen der Blätter,
Als im Schlachtendonnerwetter,
Urquell der Gnade, erkenn' ich dich.
Vater du, segne mich!
Vater du, segne mich!
In deine Hand befehl' ich mein Leben,
Du kannst es nehmen, du hast es gegeben;
Zum Leben, zum Sterben segne mich.
Vater, ich preise dich!
Vater, ich preise dich!
's ist ja kein Kampf für die Güter der
Erde;
Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte,
Drum, fallend und singend, preis' ich dich,
Gott, dir ergeb' ich mich!
Gott, dir ergeb' ich mich!
Wenn mich die Donner des Todes begrüßen.
Wenn meine Adern geöffnet fließen:
Dir, mein Gott, dir ergeb' ich mich!
Vater, ich rufe dich!
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- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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61. Barbarossa im Kyffhäuser. 62. Otto von Wittelsbach (1155).
415
61. Barbarossa im Kyffhäuser.
Bon Friedrich Rückert.
1. Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
2. Er ist niemals gestorben.
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß' verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
3. Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr zu seiner Zeit.
4. Der Thron ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
5. Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersgluth,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
6. Er nickt, als wie im Traume,
Sein Aug', halb offen, zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
7. Er spricht im Schlaf zum Knaben:
„Geh' hin vor's Schloß, o Zwerg,
Und sieh', ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
8. Und wenn die alten Raben
Roch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr."
62. Otto von Wittelsbach (1155).
Von I. B. Gotzmann.
1. Ans Welschland kehrt mit Schild und
Schwert,
Gefolgt von treuen Mannen
Der Kaiser heim, des Uumuths Keim
Im deutschen Land zu bannen ;
Und an des Rothbarts Seite ritt,
Der stets an seiner Seite stritt,
Sein Schirm und Hort auf Schritt und Tritt,
Des Reiches Pfalzgraf Otto.
2. Auf K o n r a d s Schloß sein Spielgenoß
War er mit Leib und Leben
In Freud' und Leid von jener Zeit
Dem Freunde treu ergeben.
Er eilt mit ihm zum Tiberstrom,
Er stund ihm an der Seit' in Rom,
Als festlich in Sankt Peters Dom
Der Papst den Kaiser krönte.
3. Es liegt zerstört, was sich empört,
Mit Mailand siel Tortona;
Da waffnet sich Herr Alberich,
Ein Ritter aus Verona,
Zu hemmen Friedrichs Siegesflug,
Und jetzt an ihm und seinem Zug
Durch ausgeheckten welschen Trug
Die welsche Schmach zu rächen.
4. Wo schroff und stark an deutscher Mark
Die Felsen hoch sich thürmen.
Und eingezwängt der Pfad sich engt,
Von keiner Macht zu stürmen.
Da hat er auf der nackten Wand,
Fünfhundert Kämpen an der Hand,
Sich ausgewählt den sichern Stand,
Die Deutschen zu verderben.
5. Und als die Schaar gedrungen war
Bis an des Hohlwegs Pforte,
Da ruft mit Hohn in Blick und Ton
Der Frevler diese Worte:
„Du Bettelkaiser, sonder Ehr',
Erst Rachesold und Lösung her.
Geraubtes Gold und Waff' und Wehr,
So ziehst du frei von dannen!"
6. Ein Felfenstück im Augenblick
Rollt zu des Rothbarts Füßen,
Und dieser spricht: „Verweg'ner Wicht,
Du sollst den Schimpf uns büßen!"
Und dreht sich um: „Herr Pfalzgraf, späht,
Ob ihr nicht uns're Majestät,
Die dieser Bube höhnt und schmäht.
Vermögt an ihm zu rächen!
7. Ihr scheint allein der Mann zu sein,
Zn enden solche Fehde!"
Gar inniglich erfreute sich
Herr Otto dieser Rede;
Jhm^kocht das Wittelsbacher Blut
In Stolz und Zorn und Rachegluth,
Er faßt das Banner wohlgemuth,
Zweihundert Ritter folgen.
8. Er klimmt hinan die steile Bahn
Auf unbetret'nen Wegen,
Und wo's dem Feind unmöglich scheint.
Da stürzt er ihm entgegen.
Und an ein wildes Hetzen ging's,
Die Hiebe flogen rechts und links.
Aus Schlucht und Felsen halte rings
Das grausenvolle Jagen.
1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Bayern
418
Ii. Epische Dichtungen.
Und rings erfüllte den hohen Balcon
Das Volk in freud'gem Gedränge;
Laut mischje sich in der Posaunen Ton
Das jauchzende Rufen der Menge:
Denn geendigt nach langem, verderblichen Streit
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
Und ein Richter war wieder ans Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
Des Mächtigen Beute zu werden.
Und der Kaiser ergreift den goldnen Pocal,
Und spricht mir zufriedenen Blicken:
„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl,
Mein königlich Herz zu entzücken;
Doch den Sänger vermiss' ich, den Bringer der Lust,
Der niit süßem Klang mir bewege die Brust
Und mit göttlich erhabenen Lehren.
So Hab' ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich als Ritter gepflegt und gethan,
Nicht will ich's als Kaiser entbehren."
Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreis
Trat der Sänger rnr langen Talare;
Ihm glänzte die Locke silberweiß,
Gebleicht von der Fülle der Jahre.
„Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold,
Der Sänger singt von der Minne Sold,
Er preiset das Höchste, das Beste,
Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt;
Doch sage, was ist des Kaisers werth
An seinem herrlichsten Feste?" ■—-
„Nicht gebieten werd' ich dem Sänger", spricht
Der Herrscher mit lächelndem Munde,
„Er steht in des größeren Herren Pflicht!
Er gehorcht der gebietenden Stunde.
Wie in den Lüften der Sturmwind saus't,
Man weiß nicht von wannen er kommt und braus't,
Wie der Quell aus verborgenen Tiefen:
So des Sängers Lied aus dem Innern schallt
Und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,
Die im Herzen wunderbar schliefen."
Und der Sänger rasch in die Saiten fällt
Und beginnt sie mächtig zu schlagen:
„Auf's Waidwerk hinaus ritt ein edler Held,
Den flüchtigen Gemsbock zu jagen.
Ihm folgte der Knapp' mit dem Jägergeschoß,
Und als er auf seinem stattlichen Roß
In eine Au kommt geritten.
Ein Glöcklein hört er erklingen fern,
Ein Priester war's mit dem Leib des Herrn:
Voran kam der Meßner geschritten."
„Und der Graf zur Erde sich neiget hin,
Das Haupt mit Demuth entblößet.
Zu verehren mit gläubigem Christensiun,
Was alle Menschen erlöset.
Ein Bächlein aber rauschte durch's Feld,
Von des Gießbachs reißenden Fluthen geschwellt,
1867 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule, Handelsschule, Landwirtschaftsschule, Präparandenanstalt, Mittelschule
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420
Ii. Epische Dichtungen.
67. Kaiser Rudolf und der Freihart zu Nürnberg.
Von Karl Förster.
Der Kaiser zog zum Münsterthor
Und viel des Volks ihm nach;
Da trat ein Freihartsbub' hervor
Und zupft den Herrn und sprach:
„Herr Bruder, nicht so stark fürbaß!
Es ist noch einer hier!"
Der Kaiser schaut ihn an; der Spaß
Bedünkt ihm Frevel schier.
„Was ficht dich an? — Mein Bruder
du?
Ich kenne traun dich nicht!"
Der Freihart aber lacht dazu
Und blinzt ihn an und spricht:
„Ich denke so: der Kaiser stammt,
Wie ich, von Adam her,
Und sind wir Brüder allesammt,
Sind wir's auch, ich und er."
„Drum wollt Ihr — was die Zeit verbrach —
Ausgleichen baar und blank,
So theilt mit mir, und tilgt die Schmach,
Und nehmt dann meinen Dank."
Der Kaiser lacht und spricht: „Gesell,
Jetzt muß ich beten geh'n;
Schaff' einen Sack derweil zur Stell',
Dann laß uns weiter seh'n!"
Der Bub' eilt flink und flugs nach Haus
Und kehrt in vollem Lauf;
Da tritt der Herr zur Kirch' heraus
Und ruft: „Nun, Bursch', thu' auf!"
Der zieht den Sack die Läng' und Quer,
Ihm dünkt er noch zu klein;
Der Kaiser wirft — es klang nicht schwer —
Wirft einen Heller drein.
Und spricht: „Nun weiter Bursch! durch's
Reich;
Der Brüder sind noch mehr!
Gibt jeder dir dem ersten gleich,
Bist du so reich, wie der."
66. Die beiden Todten zu Speier.
Von J. Nep. Vogl.
1. Wie! Fackeltanz im Dome? Fusstritte dumpf hinab,
8' ist Kaiser Karl der Sechste, er steigt in der Ahnen Grab,
Er selber will es schauen, bei heller Fackelgluth,
Wie dort der Franke gefrevelt in frechem Uebermuth.
2. Und immer röther färbte seine Wang’ gerechter Grimm,
„Beim Himmel! Ihr Franzosen, was ihr gethan, ist schlimm!
Die Väter in den Särgen sieht er des Schmucks beraubt,
Die Krone abgerissen von manchem theu’ren Haupt.
3. Zertrümmert sind die Särge, die Deckel liegen um,
Und Leichentuch und Purpur zerfetzt im Staub ringsum,
Da blickt manch hohles Auge ihn gar gespenstig an,
Als wollt es zu ihm sagen: „Räch’ uns, lebend’ger Mann.“
4. Und fürder schreitet Karl, erfasst vom tiefsten Schmerz,
Der Fackelschimmer gleitet über der Särge Erz.
Nun steht er dort vor zweien, die sind zerschlagen gar,
Und die Gerippe drunter vermengt gar wunderbar,!
5. Er steht wohl tief erschüttert, die zwei, die kannt’ er gut,
Sie hassten sich im Leben, die hier zusamm’ geruht,
Nicht konnten sie bestehen, wo Licht und Lust besteht,
Es war des Kaisers Adolf und Albrechts Majestät.
6. Nun liegen sie zerbrochen, vermischt ihr los’ Gebein,
Von Keinem kann man sagen: der Knochen hier war sein;
Nur an dem einen Scheitel, gefurcht von grimmem Schlag,
Das Haupt des Kaisers Adolf man noch erkennen mag.
7. Und vor dem Staub der beiden der Kaiser lange steht,
Es ist ein heilig’ Ahnen, was seine Brust durchweht;
„Ja, ob auch Hass und Zwietracht auf Erden hier zu Haus,
Es löscht in jedem Herzen des Todes Hand sie aus.“
8. D’rauf manchen Kunsterfahrnen er hin zur Gruft beschied,
Und lässt dort den Gerippen anfügen Glied an Glied,
Und manch’ ein Bein des Adolf wird Albrechts Eigenthum
Und manch’ ein Bein des Albrecht des Adolf wiederum.
9. So liegen beide Feinde vereinigt nun gar sehr,
Der Adolf-Albrecht jener, der Albrecht-Adolf der;
So liegen sie und ruhen, bis die Posaune ruft, —
Kein Frevler stör’ hinfürder sie mehr in ihrer Gruft!
1867 -
München
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- Autor: Marschall, Georg Nicolaus
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- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Fortbildungsschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
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71. Kaiser Karl auf der Martinswand. 423
71. Kaiser Max auf der Martinswand.
Von Anast. Grün.
1. Willkommen, Tirolerherzen, die ihr so bieder schlagt!
Willkommen, Tirolergletscher, die ihr den Himmel tragt!
Ihr Wohnungen der Treue, ihr Thäler voller Duft,
Willkommen, Quellen und Triften, Freiheit und Bergesluft! —
2. Wer ist der kecke Schütze im grünen Jagdgewand,
Den Gemsbart auf dem Hütlein, die Armbrust in der Hand,
Deß Aug' so flammend glühet, wie hoher Königsblick,
Deß Herz so still sich freuet an kühnem Jägerglück?
3. Das ist der Max von Habsburg aus lust'ger Gemsenjagd;
Seht ihn aus Felsen schweben, wo's kaum die Gemse wagt!
Der schwingt sich auf und klettert in pfeilbeschwingtem Lauf,
Hei, wie das geht so lustig durch Kluft und Wald hinauf!
4. Jetzt über Steingerölle, jetzt über tiefe Gruft,
Jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft!
Und jetzt? — Halt ein, nicht weiter! Jetzt ist er festgebannt,
Kluft vor ihm, Kluft zur Seite, und oben jähe Wand!
5. Der Aar, der sich schwingt zur Sonne, hält hier die erste Rast,
Des Fittigs Kraft ist gebrochen, und Schwindel hat ihn erfaßt;
Wollt' Einer von hier zum Thale hinab ein Stieglein bau'n,
Müßt', traun, ganz Tirol und Steier die Steine dazu behau'n.
6. Wohl hat die Amm' einst Maxen erzählt von der Martinswand,
Daß schon beim leisen Gedanken das Aug' in Nebeln schwand;
Jetzt kann er's seh'n, ob dem Bilde sie treue Farben geborgt?
Daß er's nicht weiter plaud're, dafür ist schon gesorgt.
7. Da steht der Kaisersprosse, Fels ist sein Througezelt,
Sein Scepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält;
Auch ist eine Aussicht droben, so weit und wunderschön,
Daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergeh'n.
8. Tief unten liegt das Innthal, ein Teppich lustig grün,
Wie Fäden durch's Gewebe, zieh'n Straß' und Strom dahin.
Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zu Hanf'
Und schau'n, wie Friedhofhügel, zu Maxen mahnend auf.
9. Jetzt stößt er, Hülfe rufend, mit Macht hinein in's Horn,
Daß es in Lüften gellet, als dröhnte Gewitterzorn;
Ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt:
Es dringt ja nicht zu Thale des Hülserufs Gewalt.
10. In's Horn nun stößt er wieder, daß es fast platzend bricht;
Ho, ho, nicht so gelärmet! Da hilft das Schreien nicht!
Denn liebte ihn sein Volk nicht, was er auch bieten mag,
Herr Max, er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag!
11. Was nicht das Ohr vernommen, das hat das Aug' geseh'n;
Die unten sah'n ihn schweben auf pfadlos steilen Höh'n;
Gebet und Glocken rufen für ihn zum Himmelsdom;
Von Kirche zu Kirche wallfahrt der bange Menschenstrom.
^ 12. Jetzt an dem Fuß des Felsens erscheint ein bunter Chor,
Von Priester inmitten weiset das Sakrament empor.
Max sieht nicht das bunten Wimmeln auf ferner Thalesslur,
Er sieht das blitzende Glänzen der Goldmonstranze nur.
1867 -
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424
Il Epische Dichtungen.
13. „ Fahr wohl nun, Welt und Leben! Schwer fällt der Abschiedmir;
O unerforschlich Wesen, du winkst, ich folge dir!
Ich schien ein Baum voll Blüthen, — dein Blitz hat ihn erschlagen, —
Ach, gerne hätt' er früher noch süße Frucht getragen!
14. Ich schien ein Bauherr, thürmend den Dom zu deinem Ruhm. —
Nicht durft' er ganz vollenden der Liebe Heiligthum!
Ein Priester, plötzlich stürzend todt an des Altares Stufen,
Er hätte gern erst Segen noch über's Volk gerufen!
15. So mag dies Herz denn brechen, von Lieb' und Segen voll!
So mod're nun mein Busen, der thatenfchwanger schwoll!
Verwelke Hand, denn nimmer krönt deine Müh' Gedeih'n!
Nur Gottes bester Engel kann hier mein Netter sein.
16. Er spricht's und hebt zum Himmel nun Angesicht und Arm,
Und in die Kniee sinkt er und betet still und warm;
Da klopft's auf seine Schulter, er fährt erschreckt empor;
„Komm' heim, du bist gerettet!" — so ruft es an sein Ohr.
17. Und einen Bergmann sieht er froh lächelnd vor sich steh'n,
Der faßt ihn fest beim Arme und winkt ihm fürder zu geh'n;
Mit Leitern, Stahl und Seilen wird kühn ein Pfad gebahnt,
Wo Maxens Fußtritt strauchelt, stützt ihn des Retters Hand.
18. Der lädt ihn auf den Rücken, wo Klüfte schwindelnd droh'n;
Wohl sind der Treue Schultern des Fürsten schön st er Thro
Rasch geht's zu Thal, wo jauchzend Tirol empfängt die Zwei,
Kein Spötter kann belächeln die seltene Reiterei.
19. Wohl kündet uns die Sage aus grauer Ahnenzeit
Von einem Himmelsboten, der schützend ihn befreit;
Ja, wohl ein Engel war es, ein Schutzgeist stark und kühn,
Des treuen Volkes Liebe, so nennt zu deutsch man ihn.
20. Ein Kreuz auf hohem Felsen blickt nieder in das Land
Und zeigt den Ort, wo bebend einst Habsburgs Sprosse stand;
Noch lebt die edle Kunde und jubelt himmelwärts.
Aus manchen Sängers Munde, aus aller Tiroler Herz!
72. Der Pilgrim von St. Inst.
Von August v. Platen.
1. Nacht ist's, und Stürme sausen für und für,
Hispanische Mönche, schließt mir auf die Thür!
2. Laßt hier mich ruh'n, bis Glockenton mich weckt,
Der zum Gebet euch in die Kirche schreckt!
3. Bereitet mir, was euer Haus vermag.
Ein Ordenskleid und einen Sarkophag!
4. Gönnt mir die kleine Zelle, weiht mich ein,
Mehr als die Hälfte dieser Welt war mein.
5. Das Haupt, das nun der Scheere sich bequemt,
Mit mancher Krone ward's bediademt.
6. Die Schulter, die der Kutte nun sich bückt.
Hat kaiserlicher Hermelin geschmückt.
7. Nun bin ich vor dem Tod den Todten gleich,
Und fall' in Trümmer, wie das alte Reich.